Altes Kapellengebäude, stilvolle Umgestaltung & ein neuer Wohlfühlort für Neukölln – Das 21 gramm
Berlin hat einen neuen Ort, an dem man am liebsten den ganzen Tag bleiben und es sich gut gehen lassen möchte. Und das direkt an der Herrmannstraße in Neukölln: Das 21 gramm Café & Restaurant im historischen Kapellengebäude am Rande des St- Thomas Friedhofs.
Ein ungenutztes Seitengebäude der alten Friedhofskapelle, Entdeckung und sich Verlieben, Planungs- und Antragsphase, Denkmalschutzauflagen, sieben Monate Umbau, enorm viel Selberhandanlegen und noch viel mehr Dreck, Schweiß und Herzblut – So oder so ähnlich müsst Ihr Euch die (etwas verkürzte) Entstehungsgeschichte des 21 gramm vorstellen. Jeremias Stüer, einer der drei Betreiber, klingt ganz beseelt, als er mir letzte Woche beim Kaffee im Hof des Backsteingebäudes von den vergangenen Wochen und Monaten erzählt.
Jetzt ist (fast) alles fertig. Die Gäste sind begeistert. Von der Location, von der Stimmung, vom Essen und überhaupt. Kaum vorstellbar, wie es hier noch vor kurzer Zeit aussah. Oder ganz früher? Immerhin handelt es ich um ein Kapellengebäude auf einem Friedhof von 1865. In der sanierten Kapelle finden bis heute regelmäßig Beisetzungen statt. Davon bekommen die Gäste aber nichts mit, da sich der Kapelleneingang auf dem Friedhof befindet.
Das 21 gramm befindet sich im Nebengelass. Dort, wo damals die Leichname für die Beerdigung fein gemacht wurden. Danach standen die Räumlichkeiten lange leer. Die Vorstellung, in diesem ebenfalls kapellenartigen Raum mit hohen Gewölbedecken, reich verzierten Säulen, Bibeltexten an den Wänden und farbigen Fenstergläsern gewaschen und in den Sarg gelegt zu werden, finde ich irgendwie anmutend. Keineswegs negativ. Ich denke, man darf sich das ruhig vorstellen, wenn man heute diesen wunderschön gestalteten Raum betritt und sich auf einem der polnischen Schulstühle, den selbst entworfenen Bänken oder an den Tischen niederlässt und sich ein Frühstück auf'm Blech bestellt. Oder?
Unter (gefühlt) Tonnen alter Leimfarbe, die über Wochen von Wänden, Decken und Säulen entfernt wurde, kamen die Original-Farbtöne zum Vorschein. Zartes Rosa, Gelb, Weiß & Grau. An zwei Wänden wurden die zum Teil gut erhaltenen Zitate aus der Bibel frei gelegt. Einige Säulenschäfte mussten ausgebessert, die alten Holztüren aufgearbeitet und lasiert (mit Bier!) werden. Jeremias, für das Interior-Design und die Einrichtung des 21 gramm verantwortlich, erzählt mir bei unserem Treffen, wie viel Spaß es ihm gemacht hat (und immer noch macht), diesen besonderen Raum gestalten zu können. Und wie schwer es war, dem ehrwürdigen Denkmal gerecht zu werden. So entschied er sich zusammen mit seinem Team für Eichenholz, Stahl und viel Grün. Die Einrichtung wurde behutsam und stilvoll an die Umgebung angepasst. Die bepflanzten Leuchten an den Gewölbedecken waren Jeremias' Idee. Auch der Hof mit der großen Holzbank und den vielen Kissen ist schön geworden. Lichterketten, wilder Wein, Blümchen in Glasflaschen und vor allem die alten Backsteinmauern erschaffen Wohlfahl-Atmosphäre. Das Essen soll super lecker sein, habe ich gehört: Gut gefüllte Frühstücks-Bleche, Flammkuchen, auch auf'm Blech serviert, und viele kleine und große Köstlichkeiten, Desserts, Getränke und Kaffeespezialitäten. Die Köche mussten sich schnell einarbeiten. Täglich kommen mehr Gäste, schwärmt Jeremias, und schaut in den Himmel. Was er dort sieht weiß ich nicht, doch plötzlich sagt er: »Es heißt, das Gewicht der Seele beträgt etwa 21 Gramm«. Und dann verabschieden wir uns.
21 gramm, Hermannstr. 179, 12045 Berlin
Geöffnet Di – Do & So von 10.00 bis 22.00 Uhr, Fr & Sa von 10.00 bis 0.00 Uhr