Townhouse Living auf dem ehemaligen Mauerstreifen – Zu Besuch bei Anne Haffmans
Anne Haffmans wohnt mit ihrer Familie an einem geschichtsträchtigen Ort im Herzen Berlins. An der Grenze zwischen Mitte und Wedding erstreckte sich entlang der Bernauer Straße von August 1961 bis November 1989 die Berliner Mauer. Heute erinnert eine Gedenkstätte an die Teilung Berlins. Auf dem ursprünglich in Ost-Berlin gelegenen Grenzstreifen befinden sich neben der informativ angelegten Gedenklandschaft, die sich der Dokumentation der Geschichte Berlins vom Bau bis zum Fall der Mauer widmet, 16 architektonisch meisterhaft gestaltete Townhäuser.
Die Grundstücke wurden 2007 von einer Vermögensgesellschaft eingeteilt und per Erbpacht an junge Familien vergeben. Insgesamt neun Architekten entwickelten einzelne Häuser mit unterschiedlichen Fassaden entlang eines kleinen autofreien Wohnwegs zwischen Strelitzer und Bernauer Straße. Die Gestaltungssatzung schrieb eine einheitliche Traufhöhe und ein Verbot von Kunststofffenstern vor. So stehen die Häuser trotz individueller Planungen in Bezug zueinander.
Der Weg ist öffentlich zugänglich und zieht bis heute immer wieder (nicht nur) architekturbegeisterte Spaziergänger an, die sich an der modernen und multifunktionalen Bauweise erfreuen. In den Townhäusern wird gewohnt und gearbeitet, das Küchenfenster gerne auch mal als Schaufenster und der Wohnraum als Showroom oder Büro, genutzt. Hier wohnen Kreative aus der Design- und Musikbranche, ArchitektInnen und KünstlerInnen mit ihren Kindern. Die Mehrzahl ohne Auto und stattdessen mit (Lasten)Fahrrädern. Alle Häuser haben Dachterrassen und kleine Gärten und verfügen über eine Ressourcen schonende Gebäudetechnik.
Für Anne Haffmans Familie entwarf der Architekt Kai Hansen ein Haus aus Sichtbeton, Glas und Schwarzstahl. Vor Ort gegossene Treppenstufen führen hinauf zu den beiden oberen Etagen. Die Rückseite (zum Süden) ist vollständig verglast und erstreckt sich über alle Stockwerke. Der sich anschließende Garten wird eins mit dem lichtdurchfluteten und offen gestalteten Wohn- und Essbereich. Von dort geht es hinunter zum tagesbelichteten Souterrain. Ein Traum-Zuhause seit inzwischen 10 Jahren.
»Als wir hier her zogen, war drumherum rein gar nichts. Es war mehr oder weniger eine Brache. Freunde fragten uns, warum ausgerechnet der ehemalige Grenzstreifen?«, erzählt Anne beim Kaffee. Es sei genau die richtige Entscheidung gewesen, viele Freundschaften seien entstanden, die Kinder miteinander groß geworden. Anne, selber aus der Musikbranche kommend, fand in den anderen Eigentümern gleichgesinnte, spannende Mitbewohner aus anderen kreativen Berufen. Ein buntes Netzwerk, das bis heute hält und Freude macht.
»Eigentlich wohnen wir in einem Plattenbau. Nur neu übersetzt«, lacht Anne und zeigt auf die grauen Wände ringsherum. Die Solnhofener Platten auf dem Boden sorgen für Gemütlichkeit in all dem Beton und erinnern an ihre Heimat, das Ostallgäu, sagt Anne. Sie zeigt auf die Bilderwand hinter dem Esstisch und erzählt Geschichten zu einzelnen Werken. Zu den Portraits von Ringo Starr, ihrem Lieblings-Beatle (Werk von Martin Haake), zu Nick Cave, gezeichnet von Reinhard Kleist, oder zu den schönen Illustrationen ihrer Schwester und Künstlerin Tina Berning.
Die tiefstehende Sonne strahlt durch die lila Pendelleuchten aus Plexiglas über dem Esstisch. Seine Beine haben die gleiche starke Farbe. Die Küchenschränke auch. Lila und Hellgrau, kombiniert mit USM Haller-Sideboard, Stühlen von Vitra und einem supergemütlichen Sofa jeweils in Rot, dazu gelbe Quitten, umgeben von Silber und Edelstahl – ein Interior, das gute Laune macht.
Design, Kunst und Musik sind Annes Leidenschaften. Sie arbeitet mit Künstlern. Mit Malern, Filmleuten und Musikern. Sie sieht sich als Übersetzerin zwischen den Kreativen und der »schnöden« Welt, wie sie sagt, sieht Kunst und Musik als populäre Kultur, als Sozialisierungsmoment eines jeden Menschen. 26 Jahre Musikbranche liegen inzwischen hinter ihr, die Vermarktung englischer und amerikanischer Künstler wie Depeche Mode (19 Jahre),Nick Cave, Franz Ferdinand, Arctic Monkeys, Daft Punk, Phoenix, The Kooks oder Moby. Anne ist ein Kommunikationsgenie, eine Netzwerkerin, Musikliebhaberin und Mutter von zwei jugendlichen Kindern. Sie arbeitet gerne und viel, lässt das eine oder andere Release-Event der Kunden auch mal im eigenen Haus stattfinden (zu Corona-Zeiten leider nicht) und besitzt beeindruckende Lautsprecher von Devialet, die überall im Haus verteilt, für guten Sound sorgen.
Eine beindruckende Hausführung führt mich in Räume mit den schönsten Tapeten, Kunst an den Wänden und immer wieder viel Licht. Von der Dachterrasse haben wir eine sensationelles Sicht über Berlin. Kaum vorstellbar, was hier zwischen 1961 und 1989 geschah. Letztendlich ist die Bernauer Straße auch ein Erinnerungsort für die friedliche Überwindung der deutschen Teilung. Hier lässt es sich schön wohnen.