Die Schweizer Jugendherberge Bella Lui – Architektur & Möbeldesign der Moderne

{Pressereise} Letztes Wochenende lernte ich Flora Steiger-Crawford kennen. Nicht persönlich, denn leider lebt sie schon lange nicht mehr. Flora war die erste Frau, die 1923 an der ETH Zürich ein Diplom als Architektin erlangte und in der Schweiz zu den Pionieren des Neuen Bauens, der Schweizer Moderne, gehörte. Zusammen mit ihrem Mann Rudolf Steiger eröffnete sie 1924 ein Architekturbüro, das 1928 für den Bau des Sanatoriums im Walliser Kurort Montana beauftragt wurde. Dort, auf einer sonnigen Hochebene in 1500 Meter Höhe, entstand in den darauf folgenden Jahren ein Gebäude, das (erst) 2002 zum Baudenkmal erklärt wurde, ein exemplarisches Zeugnis der Architektur der Moderne. Eine Ferienunterkunft nicht nur für Architektur- und Design-Interessierte, sondern für Jung und Alt, Familien, Erholungsuchende und Sportbegeisterte: Die Jugendherberge Bella Lui.
Als mich die Einladung zu einer Pressereise in eine Jugendherberge nach Crans-Montana erreichte, musste ich nicht lange zögern. Ich war noch nie im Schweizer Kanton Wallis. Die Aussicht, zwei Nächte in einer architektonischen Perle von 1930 verbringen zu dürfen und in restaurierten Original-Möbeln aus der Zeit des Neuen Bauens auf die Schweizer Alpen schauen zu können, freute mich so sehr, dass ich sofort zusagte. Urlaub in einer Schweizer Jugendherberge, die in einem ehemaligen Sanatorium untergebracht ist, gehörte bisher noch nicht zu meinen Empfehlungen auf AnneLiWest|Berlin.
Inzwischen bin ich zurück, die Reise war zwar kurz aber dafür reich an Eindrücken und schönen Erlebnissen. Unsere kleine Presse-Gruppe wohnte fantastisch, wurde bestens verköstigt, machte einen Yoga-Spaziergang mit Catherine Lude, sammelte Wildkräuter mit Pascale Haegler auf 1800 Metern im nahe gelegenen Colombire, stellte eigenes Pesto her und wurde im Eco-Museum mit der Geschichte des Schweizer Kantons Wallis vertraut gemacht. An einem der beiden Abende durften wir auf der großen Panorama-Terrasse des Bella Lui die Weiß- und Rotweine des Weinguts Cordonier & Lamon SA kosten und fanden es herrlich, leicht berauscht in den coolen Spaghetti-Lounge-Chairs abzuhängen.
Wobei wir beim Thema wären. Und bei Flora. Zu gerne hätte ich letztes Wochenende die Zeit zurück gedreht und auf den (von ihr entworfenen) stylischen Sesseln in der Lounge des Sanatoriums mit ihr über viele Dinge geplaudert und Fragen gestellt. Wie es ihr erging, als erste Frau in einer Männerdomäne zu arbeiten, über die Prinzipien des neuen Bauens, über das (schöne) Wohnen, über Möbeldesign, das Muttersein und die damit einhergehende Problematik, Privatleben und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Flora muss eine Power-Frau gewesen sein. In der Jugendherberge lag ein Bildband vom gta-Verlag über sie aus. Mit vielen privaten Fotos und Abbildungen ihrer Bauwerke und Möbeldesigns.
Es heißt, Flora wäre im Bella Lui für das Interieur zuständig gewesen. Wer weiß, was sie mir im Gespräch verraten hätte – Vielleicht war sie auch am architektonischen Entwurf (klare horizontale Linienführung der Fassade, einfache Formensprache, erster Wohnbau mit geschweisstem Eisenskelett) des Gebäudes, den Zeichnungen und der Bauleitung beteiligt? Ihre Möbel, die sie 1928 bis 1930 für das Sanatorium entwarf, stehen nicht nur (frisch restauriert und als einige wenige Original) in der heutigen Jugendherberge, sondern auch im Museum für Gestaltung in Zürich.
Das Bella Lui zu entdecken, zu (er)leben und auf den Fluren, Zimmern und Aufenthaltsräumen die Geschichte des Hauses zu spüren, war für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Architektur und Interieur, beides zeitlos, funktional, geradlinig, schnörkellos und doch wohnlich, lichtdurchflutet und bis ins Detail wohl durchdacht und hochwertig umgesetzt. Dunkelroter Linoleumboden, restaurierte Einbauschränke in der Lounge (gefüllt mit Brettspielen), Möbelklassiker der Schweizer Traditionsfirmen Horgenglarus und Embru (die bis heute hergestellt werden), einfache aber zweckmäßige Zimmereinrichtungen, hochwertige Gemeinschaftsbäder der Mehrbettzimmer und wo man hinschaut große Fenster, Terrassen, Balkone...
Das Konzept Jugendherberge spricht erstaunlicherweise alle an, wobei das ja eigentlich gar nicht so erstaunlich ist. Denn jeder möchte eine schöne Unterkunft haben, die qualitativ überzeugt und nicht allzu viel kostet. Das entspricht dem Zeitgeist. Zudem ist der Grundgedanke der Jugendherberge vergleichbar mit jenem der in den letzten Jahren entstandenen Budget-Designhotels: Eine hochwertige Unterkunft mit wenig Dienstleistung zu einem guten Preis.
Flora Steiger-Crawfords Idee vom »wohnlichen Haus« haben die Architekten Actescollectives aus Sierre und die Schweizer Interior Designerin Nora Robyr bis in die Gegenwart getragen. Als das Haus 2016 (nach einigen Besitzerwechseln und Nutzungszwecken) an die Schweizer Jugendherbergen überging, wurde das Bella Lui innerhalb eines Jahres umgebaut, saniert und eingerichtet. Im Juni 2017 eröffnete die Jugendherberge unter der Leitung von Stefanie Salzgeber. Auch eine tolle Frau.
Flora und Stefanie würden sich verstehen und mögen. Stefanie ist die Seele des Hauses, Herbergsmutter (sie liebt diesen Ausdruck), wohnt nebenan und ist gefühlt 24/7 für die Gäste im Einsatz. Dass es im Bella Lui so zwanglos und nett zugeht oder dass das Essen von einem professionellen Koch und seinem Küchenteam mit regionalen und richtig guten Zutaten zubereitet wird, liegt an Stefanies großem Enthusiasmus und ihrer Freude am Gastgeben.
Genug geschrieben – Nun lasst Euch von den Fotos in die Schweiz entführen, vielleicht sogar in eine vergangene Zeit eintauchen. Blinzelt gegen die Sonne, wie einst die Kurenden in ihren Sanatoriumsbetten auf den Balkonen und genießt das »schöne Licht« – Oder wie die alten Walliser sagten: Bella Lui.
Jugendherberge Crans Montana, Bella Lui, Route du Zotzet 8, 3963 Crans-Montana, Schweiz, Tel: +41 27 481 3114
Vielen Dank an die Schweizer Jugendherbergen, Crans-Montana Absolutely und Swiss Travel System für den wunderbaren Kurzaufenthalt, der uns im Rahmen einer Wochenend-Pressereise ermöglicht wurde.













Eines der Zimmer wurde nicht renoviert. Dort liegt noch der Linoleumboden von früher und Ihr könnt die Möbelentwürfe (1928-1930) der Bella Lui-Architektin und Designerin Flora Steiger-Crawford im Original bewundern: Kleiderschrank, Tisch mit aufklappbarer Platte und integriertem Spiegel, Nachttisch und einen Schubladenschrank. Architekten-Kollege Alfred Roth entwarf das sogenannte Roth-Bett 455, das noch heute bei der Schweizer Firma Embru hergestellt wird.




Von der Jugendherberge Bella Lui sind es nur wenige Meter zu den Shuttle-Bussen, die Euch hinauf in die Bergwelt Crans-Montanas bringen. Zum Ski fahren im Winter, zum Wandern oder Mountainbike fahren. Während der Sommersaison gibt es zahlreiche Aktivitäten, die für die Besucher zum Teil gratis angeboten werden. Ob morgendlicher Yoga-Hike, Wildpflanzen-Wanderung oder ein Besuch im Eco-Museum in Colombire in 1800 Meter Höhe.











Nach einem Tag in den Walliser Bergen gibt's doch nicht Schöneres, als einen Apéro mit Aussicht. Die Jugendherberge Bella Lui organisiert auf Wunsch eine Weinprobe des im Wallis ansässigen Weinguts Cordonier & Lamon SA. Eigentümer Jacques Cordonier besitzt das größte Weingut der Region. Entsprechend gut aufgestellt ist das Angebot seiner Weine. Wir probierten uns durch süffige Weiß- und herzhafte Rotweine, genossen den milden Abend in den Bergen und schliefen anschließend wunderbar...



