Das Kleine Grosz Museum, Berlin – Kunstbetrieb, Stadtoase & Café in der 50er-Jahre-Tankstelle
Der Berliner Galerist Juerg Judin erwirbt 2005 die alte Tankstelle in der Berliner Bülowstraße in Schöneberg. Nach einem gekonnten Umbau des »Standardtyps der Shell AG von 1956« und der Errichtung eines neuen Seitenflügels, wohnt und arbeitet Juerg Judin 15 Jahre an diesem wunderbaren Ort gegenüber der Hochbahn. Enten schwimmen im vom Bambus umsäumten Teich, Hühner legen täglich frische Eier, hohe Kiefern spenden Schatten und aus dem verglasten Pavillon unter dem geschwungenen Dach hat der Kunstliebhaber direkte Sicht auf die gelben U-Bahnwagen, die über der hohen Grundstücksmauer vorbei zu schweben scheinen. Eine Großstadtoase.
Nach all' den Jahren zieht es Juerg Judin weiter. Er wohnt und arbeitet nun woanders sehr schön. Sein Fifties-Juwel überlässt er dem Verein »George Grosz in Berlin«, der auf der Suche nach einem geeigneten Ausstellungsort der (von acht Sammlern zusammengetragenen) Werke des 1893 in Berlin geborerenen Künstlers, ist, und Ende Mai 2022 nun das »Das Kleine Grosz Museum« eröffnet. Juerg Judin übernimmt die Kosten für den Umbau und vermietet die Tankstelle nebst Anbau zunächst für fünf Jahre. Bis sich eine größere Ausstellungsfläche findet.
George Grosz hätte mehr Platz verdient – Da sind sich Juerg Judin und andere Kunstexperten einig. Darunter Ralph Jentsch, der den Nachlass von Grosz verwaltet und Vorsitzender des Vereins ist. Er freut sich ganz besonders über das neue Kunsthaus.
Ja, Grosz hätte es sicher geliebt. Schönebergs Kiez mit der nicht weit entfernten Potsdamer Straße, dem Nollendorfplatz und den schon damals zahlreichen Ausgehvierteln – Das war Grosz' Milieu. Hier fand der Künstler einst seine Motive, konnte Menschen beobachten, sich ein Bild machen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Seine (zum Teil hochpolitischen) Grafiken, Karikaturen, Zeichnungen und Gemälde sind weltweit bekannt und angesehen.
Vor einigen Tagen erinnert »Das Kleine Grosz Museum« auf seinem Instagramkanal an den Todestag von George Grosz. Er sei am 6. Juli 1959, nur wenige Wochen nach seiner Rückkehr aus den USA, nach einer durchzechten Nacht in Berlin, verunglückt. Das Museum schätze sich besonders an diesem Tag sehr glücklich, dem Künstler ein Haus in Berlin widmen zu können, das ihn und seine Kunst ehren und präsentieren kann. Schön geschrieben.
Zur Eröffnung des Museums gibt es gleich zwei Ausstellungen zu sehen. Im Erdgeschoss des Seitenflügels wird das Leben und Werk aus fünf Jahrzehnten im Rahmen einer Dauerausstellung gezeigt. In der ersten Etage gibt »Schreiben Sie doch bitte Grosz statt Gross. Wie aus Georg Ehrenfried Gross der politische Künstler George Grosz wurde« den Auftakt. Vom 13.05. – 17.10.2022 dokumentieren künstlerische Werke die frühen Jahre des jungen Georg Ehrenfried Gross. Bis zu seiner selbstbestimmten Verwandlung in den heute eher bekannten George Grosz und sein durch die Anglisierung gesetztes Zeichen gegen die deutsche Politik bzw. den ersten Weltkrieg. Die Sammlung umfasst 10 Jahre des Künstlers: seine Ausbildungszeit in Dresden und Berlin, die ersten künstlerischen und politischen Statements zum (aus seiner Sicht bedauerlichen) Zustand der Gesellschaft, des Deutschen im Allgemeinen. Kunst, die von (A)Moral, Gewalt, (Selbst)Mord, Großstadtchaos und -abgrund erzählt. Das Kleine Grosz Museum zeigt Georg Ehrenfried Gross als blitzgescheiten Betrachter und herausragenden Künstler. Wunderbar.
Alle weiteren Informationen über das Lebenswerk von George Grosz, das Museum und den Verein, gibt es hier.
Das Kleine Grosz Museum, Bülowstraße, 18, 10783 Berlin Geöffnet: Mo & Do von 11 bis 18:00 Uhr, Fr von 11 - 20:00 Uhr, Sa & So von 11 - 18:00 Uhr
Aktuelle Ausstellung »Schreiben Sie doch bitte Grosz statt Gross. Wie aus Georg Ehrenfried Gross der politische Künstler George Grosz wurde«
13.05. – 17.10.2022
Eintritt nur mit vorab gebuchtem Ticket