Atelierbesuch bei Edward B. Gordon in Oberschöneweide, Berlin
Berlin im Herbst. Die Blätter verfärben sich und das Licht verändert seine Intensität. Die Stimmung in der Stadt ist nicht mehr ganz so fröhlich. Die Menschen versuchen, die letzten wärmenden Sonnenstrahlen einzufangen. Die Schritte auf dem Heimweg werden etwas schneller, die Gespräche auf der Parkbank verkürzt. Das Bier in der Hand schmeckt im Sommer besser.
Beobachtungen, Alltagssituationen, Momente. Um uns herum passiert so viel, aber schauen wir nur zu (wenn überhaupt) oder »sehen« wir auch?
Der Künstler Edward B. Gordon beobachtet. Und sieht. Auf seinen Streifzügen durch die Großstadt, die Natur oder von seinem Boot aus erfasst er alltägliche Situationen auf ganz besondere Art und Weise. Kurze Szenen, die sich kontinuierlich um uns, um ihn, herum abspielen, wären sofort vergessen, würde er sie nicht einfangen und anschließend auf Papier oder Leinwand festhalten. Er wird zum Chronist des Alltags, der Stadt, der Natur.
Die Aufgabe des Malers ist ja zum großen Teil, seine gesammelten Eindrücke und seine Vorstellungen, Tagträume etc. in vereinfachte Zeichen zu übersetzen. So werden komplexe Formen in Kreis, Dreieck und Rechteck dargestellt, millionenfache Farbnuancen mit nur wenigen Grundfarben begriffen, die Magie des Lichts in ein paar Stufen von hell bis dunkel wiedergegeben.
Mit seinen faszinierenden Bildern möchte Edward B. Gordon die Menschen erfreuen und berühren. Platz für die eigene Betrachtung lassen. Für Erinnerungen, Gefühle, Selbstreflexion, gute oder schlechte Erfahrungen. Jeder Betrachter »sieht«, fühlt etwas anderes in den kleinen Bildräumen, in den kurzen Ausschnitten des alltäglichen Lebens, die der Künstler »beleuchtet«. Das sich stets verändernde Licht – von den frühen Morgenstunden bis zur Nacht, zu verschiedenen Jahreszeiten, ob draußen oder in Räumen – Edward B. Gordon bringt es mit Pinsel und Farben scheinbar mühelos, mit nur wenigen Strichen und sehr realistisch, auf die Leinwand.
Eigentlich möchte Edward B. Gordon Schauspieler werden und geht auf eine Schauspielschule in London. Schnell merkt er, dass seine Bühne doch eher die Leinwand wird und die Figuren und Rollen aus Farben geschaffen werden wollen. Von ihm. Durch seine sensible Sicht auf die Dinge.
Er beginnt im November 2006, jeden Tag ein Bild im Format 15 x 15 cm zu malen und es auf (s)einem Blog für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. A Painting A Day wird zum großen Erfolg und Edward B. Gordon schnell bekannt.
Durch meine selbst auferlegte Disziplin, jeden Tag ein Bild zu malen, hat sich meine Wahrnehmung für das Leben um mich herum zweifelsohne verändert. Ich habe dabei das Sehen gelernt, anstatt nur zu schauen.
Edward B. Gordon zieht 2010 mit seinem Atelier von Berlin Mitte nach Oberschöneweide im Bezirk Treptow-Köpenick. Vom Atelierfenster sieht er das Wasser, ganz in der Nähe befindet sich der Wald. Der Großstadtchronist findet hier den unmittelbaren Zugang zur Natur, lässt sich von einem Berliner Bootsbauer (Marcello, den er selbstverständlich auch malt) ein Atelierboot konstruieren. Mit einer Klappe im Boden, die sich öffnen lässt um eine Stufe hinunter zu treten und somit aufrecht an einer fest verschraubten Staffelei stehen zu können. Mit einem Sonnendach, das er einhändig (in der anderen Hand hat er den Pinsel) verstellen und auf den Sonnenstand reagieren kann. Da das Boot mit Tageslichtlampe und Ladestation für iPad und Laptop versehen ist, kann der Maler seine Werke direkt hochladen. Genial.
Edward B. Gordon wird heute von zwei Galerien vertreten, stellt seine Bilder weit über Berlin hinaus aus und malt nicht nur in Klein-, sondern auch in Großformaten. Schön.
Edward B. Gordon, Instagram, E-Mail: office@gordon.de