Naga – Die antike Tempelstadt in der Wüste des Sudans
Wenige Kilometer hinter der Stadtgrenze Khartums beginnt die Wüste. Mit unseren Gastgebern und einem Fahrer machen wir uns auf den Weg Richtung Nordosten, um die etwa 3,5 Autostunden entfernte antike Stadt Naga zu besuchen. Oder was noch (oder wieder) von ihr zu bestaunen ist. Weitab vom Nil und mitten in der Wüste liegt die etwa ein Quadratkilometer große Ausgrabungsstätte, ein beeindruckendes Ruinenareal des alten Nubien, das seit 2011 zum UNESCO Weltkulturerbe gehört.
Naga war während seiner Blütezeit 200 v. Chr. bis 250 n. Chr eine prachtvolle Stadt und galt als Subresidenz, als »Pfalz« der merotischen Königinnen und Könige. Drei Tempel haben die Jahrtausende überlebt, viele weitere prachtvolle Gebäude warten in den Ruinenhügeln noch darauf, ausgegraben zu werden.
Es ist ein besonders windiger Tag. Der Himmel hat fast die gleiche Farbe wie die Erde. Unser Fahrer hat es nicht leicht, den Weg zum Camp der deutschen Archäologen zu finden. Es gibt keine Straßen, nur sandige Pisten, sobald man die Hauptstraße verlässt. Zum Glück gibt es Spuren anderer Fahrzeuge, die vor Kurzem nach Naga fuhren, doch immer wieder werden sie vom Wind verweht. Orientierung bietet lediglich der Sonnenstand und einige Strommasten, die uns die Richtung weisen.
Im Camp angekommen, werden wir von Dr. Karla Kroeper (Field Director) und Christian Perzlmaier herzlich in Empfang genommen. Seit drei Monaten arbeiten die Archäologen mit einem Team an diesem einsamen und (sehr) staubigen Ort. Karla und Christian klären uns beim Tee über die Forschungs- und Projektgeschichte auf, die bereits 1822 mit dem Besuch einer französischen Expedition beginnt. 1844 dokumentiert ein preußisches Forschungsteam unter der Leitung von R. Lepsius alle sichtbaren Monumente der antiken Stadt. Danach bleibt Naga 150 Jahre unberührt. 1995 beginnt ein Langzeitprojekt, als Professor Dietrich Wildung, damals Direktor des Ägyptischen Museums Berlin, eine Grabungslizenz erhält. Der Amun-Tempel, der Löwentempel und die Hathorkapelle werden bis 2009 freigelegt, dokumentiert und restauriert. Seit 2013 wird das archäologische NAGA Projekt vom Ägyptischen Museum München geleitet. Im Herbst 2014 werden die Grabungen wieder aufgenommen, finanziert vom Qatar Sudan Archaeological Project, das für einen Zeitraum von 5 Jahren 38 archäologische Projekte im Sudan fördert. Dieser Ort ist eine Fundgrube, erzählt uns Christian und führt uns über das Gelände, um uns die Ergebnisse jahrelanger Forschungsarbeit zu zeigen.
Es ist heiß. In der Ferne steht eine Ziegenherde im Schatten eines Baumes. Sie gehören einer Gruppe von Halbnomaden, die ihre Wasservorräte am Brunnen des Grabungsareals auffüllen. Eine Szene, die vor 2000 Jahren wahrscheinlich sehr ähnlich aussah. Ein Esel an einem Seil, der den Männern durch seine Zugkraft hilft, die schweren Wasserbehälter aus dem über 60 Meter tiefen Brunnenschacht herauf zu holen. Wir erfahren, dass Ziegen drei Tage ohne Wasser auskommen können. Dann müssen sich die Wüstenbewohner auf den Weg zu einer Wasserstelle machen, um die Tiere zu tränken und um ihre auf Eseln mitgebrachten Kanister aufzufüllen.
Trotz Absperrung schaffen es einige Ziegen in die Ausgrabungsbereiche und begleiten uns bei der Führung durch die Allee von beeindruckenden Widderssphinxen des Amuntempels, dessen Aufbau sehr an ägyptische Tempel erinnert, und den gut erhaltenen Löwentempel, ein meroitischer Einraumtempel mit Reliefs auf den Außen- und Innenwänden und der, wie wir erfahren, eine männliche und eine weibliche Seite aufweist. Die Königin wird in der gleichen Größe wie der König dargestellt, ihre weibliche Figur zeugt von nubischer Herkunft. Die Hathorkapelle (früher „Römischer Kiosk“ genannt) und der Göttin der Liebe geweiht, verbindet hellenistisch-römische und ägyptische Form- und Dekorationselemente, die dennoch von einem eigenen, kosmopolitischen Stil der Nubier zeugen.
Unser Spaziergang endet an einer aktuellen Grabungsstelle. Säulen, Kapitelle, Grundmauern und Reliefs sind bereits freigelegt und dokumentiert. Eine Gruppe sudanesischer Halbnomaden befreit Steine vom Sand, arbeitet gemeinsam mit dem Archäologenteam. Der Arbeitstag beginnt, wenn die Männer nach ihrem täglichen Weg von acht Kilometern im Camp ankommen. Abends laufen sie den selben Weg wieder zurück. Und das bei der Hitze... Hier treffen wir Karla, die uns erklärt, dass die Fundstelle in zwei Wochen, also ungefähr in diesen Tagen, wieder eingesandet wird. Tatsächlich wird dann das gerade entdeckte Areal wieder zugeschüttet, um die aus Sandstein bestehenden Funde nicht dem (sandigen) Wind und der Witterung auszuliefern. Das Projektteam verlässt dann für einige Monate den Sudan. Es wird zu heiß. Bei Temperaturen um die 50 Grad kann nicht gearbeitet werden. Eine Rückkehr ist für September vorgesehen.
Nach drei Stunden voller Eindrücke verabschieden wir uns und brechen zu den Pyramiden von Meroe auf, die etwa zwei Autostunden von Naga entfernt in der Nähe von Bagrawija in der Wüste liegen. Aber dazu mehr im nächsten und letzten Beitrag über unsere Sudan-Reise.
Wer mehr über das NAGA Project erfahren möchte, klickt bitte hier für weitere Informationen.