Facettenreicher Oman – Ein Roadtrip
Fünf Mal am Tag ruft der Muezzin über die Lautsprecher der Moscheen zum Gebet. Von der Hauptstadt Maskat, über hohe Berge und endlose Wüsten hinweg, entlang der Küste, bis hinauf nach Musandam im Norden und hinunter nach Salalah im Süden des Sultanats Oman wird »Allaaaahhhh« gepriesen. Die Sprechgesänge begleiten uns auf unserer Reise.
Ein Mal quer durch das Land – 30 Tage Visum, ein kleines Mietauto, langärmelige Hemden, Blusen, Kleider und ein Tuch für den Kopf im Gepäck und am Ende 4000 Kilometer mehr auf dem Tacho. Der Oman – eine Überraschung. Zunächst so fremd und zum Ende richtig vertraut.
Die Omanis sind freundlich, hilfsbereit und überaus gastfreundschaftlich. Die Männer tragen in der Öffentlichkeit weiße Dishdashas und eine turbanähnliche Kopfbedeckung, die Frauen schwarze Abayas mit Augenschlitzen. Die Menschen in Schwarz-Weiß werden uns von Tag zu Tag vertrauter und selbstverständlicher.
Der Omani Coffee schmeckt mit Kardamom und Safran etwas anders als gewohnt, die süßen Datteln machen süchtig. Wir essen viel Hummus, frischen (Thun)Fisch und frittiertes Brot. Wasser wird in Plastikflaschen serviert. Mülltrennung gibt es leider keine. An der Vermeidung von Plastik wird zur Zeit gearbeitet, sagt man uns.
Wir stellen unseren persönlichen antialkoholischen Rekord auf – 16 Tage am Stück kein Schlückchen Wein oder Bier. Alkohol gibt es nur in größeren Hotels. Wie gut, dass wir hin und wieder auch mal in solchen nächtigen. Meist wohnen wir aber in einfachen kleinen Hotels, Airbnbs oder Camps entlang der Strecke. Die Unterkünfte buchen wir meist zwei Tage im voraus. Mobiles Netz gibt es Dank der Omantel-Simcard (gleich am Flughafen gekauft), Wifi ist in den meisten Unterkünften ebenfalls zugänglich.
Das Straßennetz ist unglaublich gut ausgebaut und bereits für die Zukunft ausgelegt. Zum Teil führen je dreispurige Autobahnen durch menschenleere Gegenden. Brücken und Ausfahrten führen (noch) ins Leere. Der Oman hat Großes vor. Zur Zeit leben etwa 5 Mio Einwohner, darunter 2 Mio Expats, auf einer Fläche, die etwas kleiner ist als Deutschland. Omanifamilien haben viele Kinder, die Männer (wenn sie es sich leisten können) bis zu vier Ehefrauen.
Omanis, auch die Frauen, fahren große Autos. Gerne wird mit dem Auto direkt vor einem Straßenrestaurant angehalten, zwei Mal kurz gehupt und ein Tee im Pappbecher oder ein Sandwich, Burger oder anderes Fast Food (inklusive Plastikwasserflasche) geordert. In Restaurants (und Hotels) arbeiten fast ausschließlich junge Männer aus Bangladesch.
Unser Roadtrip beginnt in Maskat. Die große Sultan Qabus Moschee ist sehr beeindruckend und ihr Besuch ein Muss. Schön (aber recht touristisch) sind der Hafen und der große Suq. Ein Cappuccino im Strandhotel The Chedi und ein Bummel durch das futuristische Stadtviertel Al Mouj zeigen das wohlständische Maskat.
Von der Hauptstadt fahren wir hinauf in das Hajar-Gebirge, verbringen zwei Tage (Presseinladung) im Ananatara Al Jabal Al Akhdar und fahren dann weiter in die Oasenstadt Nizwa. Wir besichtigen die alte Festung, Suq und Fischmarkt und wohnen in einem kleinen Stadt-Hotel, das gerade erst aus uralten Ruinen zur Heritage-Herberge aufgebaut wurde. Nizwa gefällt uns sehr.
Von Nizwa geht es nach Misfat Al Abriyeen, einem uralten Bergdorf mit spektakulärer Lage und fantastischen Aussichten. Der Spaziergang durch die engen Gassen und am Hang gelegenen Palmengärten hat etwas Märchenhaftes aus 1001 Nacht. Wir tragen angemessene Kleidung und grüßen die durch das Dorf huschenden Omanis mit As Salamu Alaikum.
Von Misfat Al Abriyeen fahren wir über die Landstraße(n) bis in Richtung Sur bzw. Ras Al Hadd. Viel Wüste, kleine Orte, unzählige Kamele am Wegesrand. Wir übernachten in Ibra. Kein besonders schöner Ort, aber gut gelegen und das neu gebaute Hotel blitzsauber. Wie überall im Land.
Die Farben des Sandes rechts und links der Straßen wechseln ständig. Ob weiß, gelb oder rötlich. Die Kamele tun uns leid. Von was sie wohl leben? Es heißt, dass ein kurzer Regen das Land kurzfristig mit einem Hauch Grün überziehen könne. Immer wieder stehen Hinweisschilder am Straßenrand, man solle bei Nässe die roten Markierungen im Auge behalten und unbedingt vorher stoppen, um nicht ins Wasser zu fahren. Water – Which water? Wir sehen häufig stundenlang nichts als Sand- und Steinwüsten. Vereinzelte Palmenansammlungen deuten auf Restwasser in einem Wadi hin. Sie erscheinen ganz überraschend und lassen das Herz sofort höher schlagen.
Wir halten am Rande der großen Wahiba Wüste an und klettern auf Sanddünen. Es werden Ausflüge mit 4 x 4 Fahrzeugen angeboten, Touren mit Übernachtung im Beduinenzelt, Abenteuer im Nichts. Wir fahren weiter Richtung Hajar Gebirge und freuen uns auf den Wadi Bani Khalid, der mit seinen 25 Grad warmen Wasserbecken zum Baden einlädt. Klares Wasser direkt aus den Bergen, bizarre Felsformationen, Höhlen und kleine Pfade, die immer weiter in das Flussbett hinein führen – ein Traum. Wir springen mit Klamotten ins Wasser. Auf Schildern wird darauf hingewiesen, sich beim Baden möglichst zu verhüllen. Tropfend spazieren wir anschließend zurück zu unserem Auto.
Wir erreichen die Küste und wohnen über Airbnb bei einem Fischer in Ras al Hadd, dem östlichsten Punkt des Sultanats. Hier treffen sich der Golf von Oman und das Arabische Meer. Wasserschildkröten kommen seit Urzeiten zur Eiablage hierher. Die langen Strände eignen sich bestens dafür.
Wobei immer mehr Siedlungen entlang der Küste entstehen, Lichter und Lärm nicht zum Besten der Schildkröten sind. Unser Gastgeber erzählt von den frisch geschlüpften Schildkrötenbabys, die nachts nicht den Weg ins Meer finden und sich immer wieder bis hinauf zu seiner Grundstücksmauer verlaufen. Er sammelt sie dann in einer Plastikwanne, um sie zurück zum Wasser zu bringen.
Ein verirrtes Baby bringen wir zum Strand und beobachten das kleine schwarze Köpfchen, das immer wieder an der Wasseroberfläche auftaucht und schließlich ganz verschwindet. Unvorstellbar, dass diese kleine Schildkröte erst mit 40 Jahren geschlechtsreif und damit erwachsen sein wird. Hoffentlich schafft sie es. Wie wird der Strand aussehen, wenn sie im Jahr 2060 das erste Mal dort ihre Eier ablegen möchte?
Von Ras al Hadd bis Salala im Süden des Sultanats sind es 1116 Kilometer, wenn man, wie wir, die Küstenstraßen entlang fährt. Wir nehmen uns vor, ganz in Ruhe hinunter zu reisen. Der Weg ist das Ziel. Es gibt nicht viele Orte, dafür Wüste ohne Ende. Wir bleiben drei Nächte in Al Ashkarah. Ein bevorzugter Ferienort omanischer Familien. Wir wohnen als einzige Touristen in einem einfachen Hotel am Strand. Unser Zimmer hat eine kleine Terrasse mit Blick zum Meer. Dort schreibe ich mit Muße und der einen oder anderen Tasse Omani Coffee den Artikel über das Ananatara Al Jabal Al Akhdar in den Bergen.
Von Al Ashkarah fahren wir bis zum Hafenort Shannah, um von dort nach Masirah Island überzusetzen. Über unseren Aufenthalt auf der Insel habe ich im letzten Beitrag berichtet.
Next stop ist Duqm. Hier müssen wir wegen der großen Entfernungen zwangsweise übernachten. Die Stadt ist eine einzige Baustelle mitten in der Wüste. Hier werden 24/7 neue Häuser und Straßen errichtet, ein internationaler Flughafen und ein Überseehafen im großen Stil aus dem Sand gestampft. Unglaublich, was dort alles entsteht. Duqm soll eine Handels- und Urlaubsdestination werden. Zur Zeit überwiegen Staub und 95 % Männer. Wir verbringen eine mäßige Nacht in einem mäßigen Hotel und machen uns am nächsten Morgen schnell auf.
Wir fahren bis Ras Madrakah, einer Bucht, die mit zu den schönsten unserer Reise zählt. Hier gibt es keine Touristen. Nur wenige wagen sich oder haben die Zeit, mit einem Mietauto die lange Strecke in den Süden zu fahren. Wir werden mit einem schönen Strand belohnt, von einer Männer-Camping-Runde (Omanis gehen gerne zelten) zum Kaffee eingeladen. Nur einer spricht ein bisschen Englisch. Wir lachen viel. Möchte nicht wissen, über was sie sich so amüsieren, haha.
Wir sollen zum Essen bleiben. Gleich wird gegrillt. Doch wir möchten gerne weiter. Es gibt noch so viel zu sehen und der Weg, der vor uns liegt, ist weit.
Über Lakabi, Schalim und das Wadi Shuwaymiyah mit seinen riesigen Felsen, Schluchten und Gesteinsformationen führt unsere Reise durch atemberaubende Landschaften. Über Straßen, die mitten durch die Felsen gehauen wurden, vorbei an Kamelen, die immer wieder plötzlich unseren Weg blockieren. Wir entdecken nahezu unberührte Strände, Buchten, halten an, steigen aus, genießen die Stille, wenn der Motor aus ist. Was für ein tolles Land.
In Mirbat, etwa 70 Kilometer vor Salalah quartieren wir uns am Strand ein. In einem Hotel mit Pool. Und Alkohollizenz. Wie gut schmeckt eigentlich so ein kaltes Bier am Abend?
Mirbat liegt zu Füßen de Dhofar Gebirges am Arabischen Meer. Am alten Hafen liegen einige Dhaus, die für den Oman typischen Fischerboote. Ringsum verfallen die verlassenen Häuser. Morbider Charme am Meer. Hier müsste man ein Häuschen kaufen. Mit Meerblick und Sicht auf die Berge im Hintergrund. Rund um den alten Teil von Mirbat wird viel und groß gebaut. Doch kein Haus ist größer als drei Stockwerke. Mauern umgeben die Grundstücke, die Zufahrten erfolgen über Pisten. Etwas chaotisch aber sehr wohlständig. Wie fast überall im Oman.
Wir bleiben ein paar Tage in Mirbat. Erholen uns von der Autofahrerei, unternehmen Ausflüge in die Umgebung und »machen Urlaub«. Wie gut, dass wir uns für den Landweg in den Süden entschieden haben und nicht geflogen sind. Wir hätten so viel verpasst.
Das letzte Viertel unserer Reise verbringen wir in Salalah, der grünsten Stadt des Omans. Artikel folgt in Kürze. Bis dahin seid gegrüßt, tschüss und maʿa s-salamah!